Initiatoren des Appells plädieren für eine humanitäre Ausrichtung des von der Bundesregierung angekündigten Stipendienprogramms für Flüchtlinge aus Syrien 

Vor kurzem appellierten über 200 Professorinnen und Professoren deutscher Hochschulen an das Auswärtige Amt und den Deutschen Akademischen Austauschdienst, ein Stipendienprogramm für Flüchtlinge aus Syrien einzurichten. Dass inzwischen insgesamt über 4000 Personen, vor allem Universitätsangehörige, diesen Aufruf der Initiative www.fluechtlingsstipendien.de / www.refugeecampus.org unterschrieben haben zeigt, mit welch breiter Zustimmung eine solche Maßnahme an deutschen Universitäten rechnen kann. 

Am 22. September 2014 kündigte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier schließlich die Einrichtung eines Stipendienprogramms an, das 100 syrischen Flüchtlingen das Studium in Deutschland ermöglichen soll. Das Auswärtige Amt erklärte hierzu, dass in diesem beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) angesiedelten Programm mit dem Titel “Leadership for Syria“ bis zu 100 Studierende ihr Studium in Deutschland absolvieren und an einem gesellschaftspolitischen Begleitprogramm teilnehmen können. Der DAAD verdoppele darüber hinaus die Anzahl seiner regulären Stipendien für Syrerinnen und Syrer. 

Als Initiatoren des Aufrufs begrüßen wir diese Maßnahmen, die tatsächlich eine nachhaltige Hilfe zum Wiederaufbau leisten könnte und zumindest einigen der jungen Flüchtlinge das Studium in einer sicheren Umgebung ermöglichen kann. 

Gleichzeitig vermissen wir jedoch eine deutliche Ausrichtung des Programms an humanitären Kriterien. Stattdessen betont der Titel “Leadership for Syria“ lediglich das Ziel der Herausbildung einer künftigen Führungselite. Der Appell der Professorinnen und Professoren hingegen stellte unter dem Motto „Aktiver Flüchtlingsschutz und langfristige Hilfe beim Wiederaufbau“ humanitäre Aspekte in den Vordergrund – es waren diese Aspekte, die eine massive Unterstützung an den Universitäten erfuhren, wie die Reaktionen auf den Appell und das durchweg positive Echo in den deutschen Medien zeigen. In Presse und Radio meldeten sich zudem zahlreiche Erstunterzeichner öffentlich zu Wort, um explizit für eine humanitäre Ausrichtung des Programms zu werben. 

Es erscheint uns von zentraler Wichtigkeit, dass die Auswahlkriterien eines solchen Stipendienprogramms sicherstellen, dass das Geld bei Studierenden ankommt, die es auch wirklich benötigen. In diesem Sinne sollte etwa eine Studentin, die in der prekären und gefährlichen Umgebung eines Flüchtlingscamps wohnen muss, bei annähernd gleichen Leistungen bevorzugt werden vor einem Studenten, der zwar fliehen musste, dessen Familie jedoch prinzipiell über genug Ressourcen verfügt, um das Studium der eigenen Kinder auch ohne Stipendium weiterhin zu finanzieren. Fehlt diese humanitäre Ausrichtung, so droht ein solches Programm jene zu fördern, die schon vor Ausbruch des Bürgerkriegs besser gestellt waren – und damit würden soziale Ungleichheiten und Ausschlüsse reproduziert, die mitursächlich waren für die Entwicklung des Konflikts. 

Anlass für den Appell war und ist das Elend und die Perspektivlosigkeit der Flüchtlinge in Syrien und den Erstaufnahmestaaten. Doch die gegenwärtigen Entwicklungen in der Region zeigen, dass Bürgerkriege oftmals nicht vor nationalen Grenzen halt machen. Als Initiatoren des Programms möchten wir daher betonen, dass ein sinnvolles Stipendien-Programm sich nicht rigide am Herkunftsland der Betroffenen orientieren kann, sondern flexibel auf derartige Entwicklungen reagieren muss. Dabei sollte es sich selbstverständlich nicht nur an syrische Staatsangehörige im engeren Sinne richten, sondern auch an Palästinenser oder andere Gruppen von Staatenlosen, z.B. Kurden, die vor dem Krieg in Syrien gelebt haben und denen das Regime die Staatsangehörigkeit verweigerte. Deswegen spricht unser Appell von Flüchtlingen aus Syrien, nicht syrischen Flüchtlingen. 

Dr. Christoph H. Schwarz (Philipps-Universität Marburg)

Greta Wagner, Dipl.-Soz. (Goethe-Universität Frankfurt a.M.)